Was haben Sie von dem Ganztagskongress 2024, den das Bundesbildungsministerium und das Bundesfamilienministerium gemeinsam ausgerichtet haben, mitgenommen?
Auf dem Kongress haben wir diskutiert, wie Ganztag für Kinder im Grundschulalter multi-professionell gestaltet werden kann. Dabei wurde an beiden Tagen deutlich, dass der Ganztag weit mehr ist als Schule und Unterricht. Er ist zunehmend Lern- und Lebensort für Kinder. Es kommt daher auf eine gute und kontinuierliche Kooperation von Schule und Kinder- und Jugendhilfe sowie weiteren außerschulischen Partnern an. Beeindruckt hat mich, dass viele Beiträge aus der Praxis gezeigt haben, dass solche Kooperationen bereits gelebt werden und wie groß die Chancen solcher Kooperationen für Kinder sind. Mitgenommen habe ich zudem eine regelrechte Aufbruchsstimmung, den Ganztag weiter auszubauen.
Der Rechtsanspruch auf Ganztag für Kinder im Grundschulalter startet stufenweise ab dem Schuljahr 2026/27. Warum sind Ihrer Meinung nach der Ganztagsausbau und die Einführung des Rechtsanspruchs so wichtig und wer profitiert davon?
Kinder stehen im Mittelpunkt beim Ausbau der Ganztagsbetreuung. Kinder nutzen ganztägig Bildungs- und Betreuungsangebote gerne und profitieren von ihnen, wenn sie kindgerecht gestaltet sind. In Ganztagsangeboten werden Freundschaften geschlossen, entdecken Kinder gemeinsam ihre Welt, erleben und lernen Neues. Ganztag ist ihr Lebensort. In zeitgemäßen Ganztagsangeboten sind Kinder mittendrin in der Gesellschaft.
Kinder können im Ganztag gezielt gefördert werden. Es ist ausreichend Zeit vorhanden, so dass Kinder auch außerhalb des Unterrichts Lernerfahrungen sammeln können. Es entstehen Bildungschancen, die Benachteiligungen von armen Kindern ausgleichen.
Für Eltern ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine gute Betreuung und Bildung ihrer Kinder wichtig. Sie wünschen sich verlässliche Ganztagsstrukturen, in denen sich ihre Kinder wohlfühlen und gut lernen. Mit der Einschulung der Kinder stehen Eltern vor der Herausforderung, den Übergang von der Kita zur Grundschule so zu gestalten, dass der Alltag mit Beruf und Familie auch weiterhin gelingt. Deswegen ist im Ganztagsförderungsgesetz (GaFöG) ein Rechtsanspruch, der stufenweise ab dem Schuljahr 2026/27 eingeführt wird, geregelt. Das schafft Verlässlichkeit.
Aber auch Kommunen und Unternehmen profitieren vom Ganztagsausbau. Denn eine gute soziale Infrastruktur für Familien ist ein wichtiger Standortfaktor und trägt zur Fachkräftesicherung und -bindung bei.
Damit profitieren wir alle - Kinder, Familien, Unternehmen und mithin die gesamte Gesellschaft.
Wie kann die qualitative Entwicklung vorangebracht werden, was tut hier der Bund?
Es ist sehr zu begrüßen, dass sich die Kultusministerkonferenz 2023 auf den Weg gemacht und Empfehlungen zur Weiterentwicklung der pädagogischen Qualität der Ganztagsschulen und weiterer ganztägiger Bildungs- und Betreuungsangebote für Kinder im Grundschulalter erarbeitet hat. An den Qualitätsempfehlungen war der Bund aktiv beteiligt.
Der Bund rahmt diese Initiative der Länder durch eigene Formate ein. Diese Wahlperiode haben wir schon viel geschafft: So haben wir ein neues Bund-Länder-Koordinierungsgremium eingerichtet, in dem unter anderem Fragen der Qualitätsentwicklung erörtert werden. Zudem führen das Bundesbildungs- und Bundesfamilienministerium regelmäßig einen Fachdialog mit der Zivilgesellschaft durch. Seit 2023 legt die Bundesregierung jährlich dem Deutschen Bundestag einen Bericht über den Ausbaustand (sog. GaFöG-Bericht) vor, in dem auch qualitative Aspekte beleuchtet werden. Ein Höhepunkt ist der einmal pro Jahr durchgeführte Ganztagskongress zu wechselnden Themen. Die Planungen für 2025 laufen schon, mehr verrate ich noch nicht.
Wie unterstützt der Bund beim notwendigen quantitativen Ausbau?
Für den Ausbau der ganztägigen Infrastruktur fallen Investitionskosten und laufende Kosten (z.B. für Personal) an. Der Bund beteiligt sich mit Finanzhilfen für Investitionen in Höhe von insgesamt 3,5 Milliarden Euro. Auch an den Betriebskosten wird sich der Bund beteiligen: durch eine Änderung der vertikalen Umsatzsteuerverteilung entlastet der Bund die Länder 2026 bis 2029 mit insgesamt 2,49 Milliarden Euro, dann jährlich ab 2030 mit 1,3 Milliarden Euro.
Wenn Sie sich vorstellen, es wäre schon das Jahr 2031. Wie stellen Sie sich die Situation der Ganztagsbetreuung in Deutschland vor?
Im aktuellen GaFöG-Bericht findet sich die Darstellung eines kindzentrierten Konzepts von Ganztagsbildung und -betreuung von Kindern im Grundschulalter. Beispielsweise gehören Kooperationen auf Augenhöhe, eine kinderrechtssensible und eine sozialräumliche Perspektive dazu. Ich wünsche mir, dass 2031 diese kindzentrierten „Leitplanken“ in allen Ganztagsangeboten selbstverständlich sind.