Interview mit der Serviceagentur Ganztag Berlin Informieren, inspirieren, vernetzen - Die Fachberatung der Serviceagentur Ganztag als Impulsgeberin zur Qualitätsentwicklung im Ganztag

Serviceagentur Ganztag Berlin
Dr. Anna Schütz und Sabine Hüseman, Serviceagentur Ganztag Berlin © DKJS/ Claudia Bull

Online-Redaktion: Welche Aufgaben und Themenschwerpunkte hat die Serviceagentur?

Serviceagentur Ganztag Berlin: Die Serviceagentur Ganztag Berlin (SAG) ist ein Programm der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung (DKJS), finanziert von der Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie in Berlin. In unserer Arbeit richten wir den Blick auf die Qualitätsentwicklung im Ganztag, und zwar aus der Perspektive der Kinder und Jugendlichen.

Die Serviceagentur besteht aus drei Säulen: Die SAG agiert als Beraterin, Impulsgeberin und Netzwerkerin. In der beratenden Funktion bietet die SAG Fachberatungen für Schulen an und führt unter anderem Seminare für Schulleitungsteams oder Supervisionsangebote für koordinierende Fachkräfte durch. Impulse gibt die Agentur vor allem durch ihren Veranstaltungsbereich. Zudem bieten wir Fortbildungsreihen und Fachtage zu verschiedenen Themen an, wie zum Beispiel zur Förderung von Basiskompetenzen über den ganzen Tag oder zur Arbeit in Lernwerkstätten. Außerdem wird das Wissen aus den Beratungen und aus unserer Fachexpertise in Material gegossen, welches öffentlich auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt wird. Als Netzwerkerin organisieren wir kleinere Austauschformate mit dem Anspruch, verschiedene Akteurinnen und Akteure miteinander zu vernetzen. Gleichzeitig macht die SAG als Lobbyistin für das Thema Ganztagsschule mit ihrer Arbeit immer wieder auf die verschiedenen Themen in der Ganztagsschulentwicklung aufmerksam.

Online-Redaktion: Welche Gelingensbedingungen gibt es Ihrer Meinung nach für einen guten Ganztag?

Serviceagentur Ganztag Berlin: Die SAG ist zuständig für die Gestaltungsqualität an Schulen. Wir setzen uns also damit auseinander, was in einzelnen Schulen für Bedingungen geschaffen werden können, um gutes Lernen über den ganzen Tag in der Organisation und der Praxis zu ermöglichen. Dafür gibt es drei zentrale Gelingensbedingungen:

Wichtig ist zunächst eine gute Steuerung, die das komplexe Gebilde Ganztagsschule zusammenfügt. Ein kooperatives Leitungsteam, in dem verschiedene Professionen vertreten sind, ist also von großer Bedeutung, um den komplizierten Schulalltag gut zu konzipieren und die vielfältigen Perspektiven auf die Kinder miteinzubringen.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die partizipative Praxis. Dabei geht es darum, ein Miteinander zu schaffen, in dem man sich gegenseitig stärkt, hört und sieht. Partizipation ist eine weitere Gelingensbedingung dafür, sich an dem Ort Schule angenommen und wirksam zu fühlen und Lernen sowie eine gute Zusammenarbeit zu ermöglichen. Das gilt für die Kinder und Jugendlichen aber natürlich auch für die Erwachsenen.

Zuletzt trägt eine gute konzeptionelle Grundlegung zum Gelingen eines guten Ganztags bei. Das beinhaltet nicht nur ein „Add on Papier“, sondern ein ausgearbeitetes Ganztagsprofil als Teil des Schulprogramms, in dem Ziele und deren Umsetzung in die Praxis beschrieben werden.

Die Gestaltung des Ganztags bedeutet einen tiefgreifenden strukturellen Wandel im Bereich Schule. Dieser Wandel erfordert eine gewisse Geduld und den Willen zur gemeinsamen Gestaltung.

Serviceagentur Ganztag Berlin
Schüler:innenkongress 2023 © DKJS/ Claudia Bull

Online-Redaktion: Was entwickeln Sie gemeinsam mit Lehr- und pädagogischen Fachkräften sowie Kindern, um die Qualitätsentwicklung im Ganztag in Berlin voranzubringen?

Serviceagentur Ganztag Berlin: Mit Kindern und Jugendlichen direkt arbeiten wir weniger zusammen. Der Schüler:innenkongress, den wir vor kurzem organisiert haben, war eine besondere Situation, um die Stimmen der Kinder hörbar zu machen. Wir arbeiten jedoch hauptsächlich mit den Pädagoginnen und Pädagogen in den Schulen und übernehmen dabei eine Art Mittlerinnenfunktion: Wir schaffen Angebote, Fortbildungen und Vernetzungssettings so, dass sich Menschen mit unterschiedlicher Fachexpertise austauschen können und neue Impulse geschaffen werden.

In unseren Fachgesprächen beispielsweise steht der gegenseitige Austausch im Vordergrund. Die Themen der Fachgespräche richten sich dabei nach den Bereichen des Berliner Ganztagssterns: Sie reichen von der Raum- und Zeitgestaltung bis hin zu multiprofessioneller Kooperation oder partizipativer Praxis. Im Format „Schulen im Dialog“ beraten sich die Schulen wiederum gegenseitig und teilen ihre Praxiserfahrungen vor Ort. In anderen Formaten, wie dem Seminar „IMMER AUF ACHSE: bringt Sie voran!“, blicken wir zurück auf die bisherige Entwicklung von Schulen, bevor gemeinsam Ideen entwickelt werden, um die Qualitätsentwicklung im Ganztag voranzubringen.

Die große Aufgabe ist es, immer wieder daran zu erinnern, das System im Blick zu behalten und die Bedarfe der Kinder in den Vordergrund zu stellen.

Online-Radaktion: Was bedeutet Fachberatung? Was bieten Sie als Serviceagentur an, an wen richten Sie sich und wie viele Ganztagsgrundschulen erreichen Sie in Berlin?

Serviceagentur Ganztag Berlin: Unsere Fachberatung grenzt sich von klassischer Schulentwicklungsbegleitung ab. Sie dient der Organisation des Ganztags sowie der Sensibilisierung und Fokussierung auf bestimmte Themen. Bei uns steht der fachliche Impuls im Vordergrund und wir unterstützen hauptsächlich Schulen, die bereits gut aufgestellt sind und über ein multiprofessionelles Steuerungsgremium verfügen. Für eine längere Begleitung und die Schaffung grundlegender Strukturen fehlen uns die nötigen Kapazitäten, da verweisen wir an andere Akteurinnen und Akteure im Land Berlin.

Die Fachberatung beschäftigt sich also mit konkreten Fragestellungen, wie zum Beispiel der Zusammenarbeit in einem multiprofessionellen Kollegium. Dazu führen wir Workshops durch, so auch zu den Themen Kooperation, Zeit/Rhythmisierung, oder Erweiterung und Verzahnung der Bildungselemente.

Mit all unseren Veranstaltungsformaten erreichen wir durchschnittlich etwa 200 Schulen im Jahr, insbesondere Grundschulen. Mit den Fachberatungen und damit der einzelschulspezifischen Beratung sind wir an ungefähr 40 Schulen im Jahr tätig.

Online-Redaktion: Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht Fachberatung bei der Qualitätsentwicklung im Ganztag?

Serviceagentur Ganztag Berlin: Die einzelschulspezifische Beratung mit gut vorbereiteten Workshops ist unserer Meinung nach eine der nachhaltigeren Unterstützungsangebote, um Schulen in ihrer Schulentwicklung zu begleiten. Bei Veranstaltungen, die oftmals als Zugang dienen, Fachberatungen in Anspruch zu nehmen, stehen die Teilnehmenden anschließend selbst in der Verantwortung, eigene Ideen zu entwickeln. Die Fachberatung setzt da genauer an und bringt die Menschen unmittelbarer ins Handeln. Wir versorgen Fachkräfte in Schulen durch unsere Arbeit mit Impulsen, die sie dann in ihre eigenen Schulsysteme tragen können.

Gleichzeitig geht es dabei nicht immer nur um den Progress, sondern auch darum, das Gute zu sichern und an guten Ideen festzuhalten. So blicken wir in den Beratungen auch darauf, was bisher bereits gelungen ist und lassen die bisherige Schulentwicklung Revue passieren. Das sensibilisiert am Ende dafür, was bereits gut funktioniert und worauf aufgebaut werden kann.

Online-Redaktion: Vielen Dank für das Interview!